01.03.2022
Ein (vereinfachtes) Fallbeispiel aus dem Anlagenbau
Die deutsche Firma A. stellt Isolatoren für den energietechnischen
Anlagenbau – insbesondere für Umspannungswerke und Überlandleitungen – her und vertreibt diese weltweit. Für eine Umspannungsanlage nahe Helsinki werden durch den belgischen
Anlagenbauer V. 50.000 Spezialanfertigungen geordert, für einen
finnischen Anlagenbetreiber O. verbaut und durch diesen in Betrieb genommen. Wenngleich Isolatoren der spezifischen Bauart
in der Regel eine Lebensdauer von rd. 20 Jahren haben, kommt es
nach 3 Jahren zu seriellen Ausfällen, die den Austausch der betroffenen Komponenten erforderlich machen. Ergebnis von durch den
Hersteller sofort eingeleiteter Materialuntersuchungen ist, dass an
2 von 5 gelieferten Tranchen fehlerhafte Keramiklegierungen nachgewiesen werden können und der Austausch von 20.000 Teilen in
Erwägung gezogen wird, um weiterhin einen reibungslosen Betrieb
der Anlage zu gewährleisten. Der eventuelle Austausch soll während der Dauer einer ohnehin geplanten Routineüberprüfung der
Anlage erfolgen.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte, obwohl noch keine Kostenforderungen an A. herangetragen wurden, der mögliche Schaden an den Versicherer gemeldet werden, damit die weitere Vorgehensweise gemeinsam mit diesem und einem heranzuziehenden Gutachter abgestimmt und die Maßnahmen im Einvernehmen durchgeführt werden können.
An dieser Stelle, sind wir als Versicherungsmakler gefordert, die Schadenregulierung zu begleiten, um mögliche Fehler in der Regulierung - die in der Regel auf mangelnde Erfahrung der Regulierer und Gutachter zurückzuführen sind - zu vermeiden. Die Gemengelage der unterschiedlichen Interessen (Besteller, Montage, Produzent, Versicherer) sollte so berücksichtigt werden, dass zum einen der Schaden möglichst gering gehalten wird, berechtigte Ansprüche befriedigt werden und die bestehenden Lieferbeziehungen auch zukünftig partnerschaftlich fortgeführt werden können – gefordert sind mithin durchaus mediatorische Fähigkeiten, getragen von der Erkenntnis, die richtigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt zu kommunizieren und für deren reibungslose Durchführung zu sorgen.
Bei der Abwägung der Interessen kann es durchaus auch sinnvoll sein, möglichst schnell zu einem für alle Seiten tragbaren Vergleich zu kommen (auch ohne, dass der Anspruchsteller vom Umfang der versicherten Kosten Kenntnis erhält).
A. liefert fehlerfreie Ware auf Bestellung von V., die den Austausch der fehlerhaften Komponenten planmäßig unter Zuhilfenahme der O. und internationaler Subunternehmen vornimmt.
Die entstandenen Kosten stellt V. der A. in Rechnung.
Sofern im Vorfeld berechtigte Abzüge zur Ermittlung des berechtigten Anspruchs nicht kommuniziert wurden, kommt es spätestens
jetzt zu Differenzen. So ist es unbedingt ratsam, den sogenannten
Abzug „Neu für Alt“ mit den Geschäftspartnern im Vorfeld erörtert
zu haben. Dieser Abzug wird vorgenommen in dem Verhältnis in
dem die vergangene Nutzungszeit der Anlage (bis zum Austausch)
im Verhältnis zu der erwarteten Gesamtnutzungsdauer im mangelfreien Zustand steht. Hierdurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass durch die Lieferung der Neuteile eine (teilweise) längere
Nutzungszeit der Gesamtanlage möglich wird.
Nach Abgleich der Einzelpositionen der Kostenaufstellung errechnet der Regulierer gemeinsam mit dem bestellten Gutachter die Versicherungsleistung unter Abzug der in Produkthaftpflichtdeckung üblichen Selbstbeteiligung.
Zu klären ist abschließend, ob der Versicherer direkt an den Anspruchsteller auszahlt oder aber an den Versicherungsnehmer - dann meist mit befreiender Wirkung in den Fällen, in denen der Anspruchsteller keine Information über die bestehende Deckung oder der Versicherungsnehmer bereits an den Anspruchsteller geleistet hat.
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